Von der Gemeindeschenke zum Bürgerhaus in Sülzenbrücken
Serie: Gebäude-Geschichten
Früher gab es mit Sicherheit keinen Einwohner, der sie nie von innen gesehen hätte. Aber, auch heute werden die meisten schon einmal dort gewesen sein und dort gefeiert haben: gemeint ist die Gemeindeschenke, jetzt unser Bürgerhaus. Die erste bekannte Erwähnung der Gemeindeschenke Sülzenbrücken finden wir im Jahre 1672, als bei einer Feuersbrunst insgesamt 23 Häuser, darunter die Pfarrei, das Schulhaus und die Schenke abgebrannt sind. 1738 wurde das „Schenkhaus“, der große Schenkkeller mit Platten ausgelegt und das erste Schild am Gebäude angebracht. Die Gemeindeschenke hatte damals den Namen „Zum goldenen Löwen“, wie Chronist A. Tantz berichtet. Ihre hohe Bedeutung für das Dorf kann man daran ermessen, dass die Schenke bereits innerhalb eines halben Jahres nach dem verheerenden Brand am 6. Juni 1783, bei dem 56 Häuser und viele Wirtschaftsgebäude „in die Asche gelegt wurden“, wiederaufgebaut war! Wie sie damals aussah, zeigt eine Zeichnung von Alwin Tantz (Sammlung S. Andree/ D. Streisel; siehe Bild).
Die Schenke – unser heutiges Bürgerhaus – ist ein Fachwerkbau, der im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut, erweitert, modernisiert wurde. Aus einem Inventarverzeichnis der Gemeinde von 1846 für die Schenke und das Brauhaus kann man die damals vorhandenen Räumlichkeiten entnehmen: große (Gast)Stube, kleine (Gast)Stube, Küche, Tanzboden, Kramkämmerchen, Schlotkammer, kleines Kämmerchen an der Treppe, Keller, großer Pferdestall, Pferdestall am Hause, Pferdestall am Hof, Kuhstall, 4 hölzerne Schweineställe und die Darre. Ein Umbauplan von 1913 verzeichnet weitere Räume wie Vereinszimmer, Fremdenzimmer, Kegelbahn und Laden.
„Im Jahr 1887 wurde behufs Erweiterung des Tanzsaals der Umbau hiesiger Gemeindeschenke vorgenommen… Das ganze obere Stockwerk wurde abgetragen, um ein höheres, zweckmäßigeres wieder aufzusetzen.“ Es war sicher der umfangreichste Umbau des Gebäudes nach den früheren Bränden. Beteiligt waren drei hiesige und vier Apfelstädter Handwerksbetriebe. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 5896.63 Mark. Die Einweihung des neuen Tanzsaales fand am 2. Oktober 1887 statt. Beim Umbau ist das Halseisen, das links vom Eingang (siehe Zeichnung) an einer Säule angebracht war, verschwunden. Dieses wurde bei kleineren Vergehen den Verurteilten um den Hals geschlossen und sie mussten dort zum Gespött der Vorübergehenden einige Stunden zubringen.
Das im Bereich des heutigen Parkplatzes stehende Backhaus wurde 1912 abgerissen und später durch eine Waschküche ersetzt. Bedingung war, dass wieder eine Feuerstätte auf dem Platz des Backhauses entstand, um „sich für spätere Zeit nicht des Rechts an der Backgerechtsame (heutzutage: Backrecht) an der Gemeindeschänke zu begeben.“
Die Gemeindeschenke wurde jeweils für drei Jahre höchstbietend verpachtet, manchmal auch länger. Die Bewerberzahlen waren sehr hoch, so gab es 1913 acht, 1925 sogar elf Pachtinteressenten! Mit zum Pachtvertrag gehörte die Bullenhaltung sowie die des Zuchtebers. Auch das Bierbrauen und das Brotbacken war früher Aufgabe des Wirts. Seit 1900 war die Gemeindeschenke jedoch an eine Brauerei aus Gräfentonna verpachtet, die ihr eigenes Bier verkaufte. Ab da wurde in Sülzenbrücken kein Bier mehr gebraut, das Brauhaus in der Brauhausgasse geschlossen und schließlich 1928 abgerissen.
Eine wichtige Neuerung kam 1909, die Beleuchtung mit elektrischem Licht. Die Kegelbahn und die dahinter liegenden Stallungen mussten 1955 dem Neubau einer Konsumverkaufsstelle mit darüber liegender Bürgermeisterwohnung weichen. 1966 wurde an die nunmehrige Konsumgaststätte eine Wohnung angebaut, 1968 das Vereinszimmer erweitert und der Tanzsaal durch Hinzunahme der ehemaligen Tanzkammer vergrößert. 1977 erfolgte der Anbau der Toilettenanlage.
Nach der Wende änderte sich das Pachtverhältnis. Die Gemeinde kündigte 1990 den Pachtvertrag mit der in Konkurs gehenden Konsumgenossenschaft Arnstadt, renovierte die Schenke und verpachtete sie an Familie Umbreit, die die Schenke bis 2001 bewirtschaftete. In dieser Zeit, 1997, erfolgte der Einbau einer Gasheizung. Seit 2001 war die Schenke ohne Wirt, im Ort gab es zwei Gasthäuser, die Gaststätte Mandisloh/Henkel (ehem. Dunkel) und das neue Café Lachsack. Als Sülzenbrücken 2002 ins Dorferneuerungsprogramm aufgenommen wurde, baute die Wachsenburggemeinde das Gebäude mit umfangreichen Maßnahmen zum Bürgerhaus um. So bleibt es weiterhin der Ortsmittelpunkt.
Seit seiner Eröffnung am 1. Mai 2004 steht das Bürgerhaus den Vereinen, der Gemeinde selbst sowie allen Einwohnern für Veranstaltungen, Versammlungen und private Feiern zur Verfügung. Hoffen wir, dass das nach Überwindung der Corona-Pandemie bald wieder uneingeschränkt der Fall sein kann!
Quelle
Foto + Text von von Bernd Hartung
Burgen-Blick
Erschienen in der Ausgabe: 30. Januar 2021