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Burgen-Blick - Kulturverein Bechstein Jubiläum

30 Jahre Kulturverein mit vielen Erlebnissen

30 Jahre, eine Zeitspanne von fast zwei Generationen, umfasst die Geschichte des Kulturvereins Neudietendorf e.V. Dazu sollte es einen Rückblick geben! Das letzte Ereignis war der lange geplante, wegen Corona verschobene Abend in der Stadtbibliothek Gotha am 7. Juni 2022, zu dem Oberbürgermeister Knut Kreuch eingeladen hatte. Dort wurde der historische Bechstein-Flügel (Baujahr 1880) des Kulturvereins Neudietendorf als Schenkung an die Stadtbibliothek Gotha übergeben, verbunden mit einem Musik-Programm Thüringer Künstler. Diese Übergabe war ein öffentliches Konzert, mit dem Besuch der letzten Mitglieder des Kulturvereins und stellte die Heimkehr des Instruments in die Geburtsstadt seines Erbauers Carl Beschstein dar. Dieser hatte in Neudietendorf seine Kinder- und Jugendjahre verbracht und das Handwerk des Klavierbauers in Erfurt bei der Firma Gleitz erlernt. Die Gothaer Bibliothek befindet sich im barocken Winter-Palais, der Cibulka-Saal in einem modernen Anbau. Das Geburtshaus Bechsteins, ein ansehnliches Bürgerhaus im Rennaisancestil, ist in wenigen Gehminuten von hier erreichbar. Nun aber zurück zur Vereinsgeschichte. Diese begann im Frühjahr 1992 mit der Grundidee, keinen traditionellen Heimatverein einzurichten. Der Bezug dazu wurde in der, für Thüringen ungewöhnlichen Ortsgeschichte gesehen, die aus der Verbindung mit der Herrnhuter Brüdergemeine abgeleitet war. Die sehr unterschiedlichen Produkte der Tätigkeiten der pietistischen Gemeinde wurden für den Kulturverein zu einer ständigen Quelle und Anregung für Aktivitäten. Daraus entstanden Gesprächsabende, Lesungen, Fahrten zu anderen Orten mit kulturellen Angeboten und Veranstaltungen, die die interessierten Bürger und ihre Gäste in den ehemaligen Gasthof „Bach“, in die Krüger-Villa oder in das Bürgerhaus „Drei Rosen“ lockten. Als Gesprächspartner wurden Autoren aus Thüringen, aber auch aus Bayern eingeladen. Aus der Vielzahl der Aktivitäten ist aus dem ersten Jahrzehnt die Mitwirkung des Vereins an der 850 Jahrfeier Neudietendorfs im Jahre 1997 zu nennen und da besonders der Festumzug. Unter der Regie des damaligen Bürgermeister Volker Reum entstand damals ein großer Gemeinsinn, dem sich Bürger und Vereine freudig anschlossen. Ebenso wurde in dieser Zeit das Heimatbuch „Neudietendorf“ erarbeitet, unter wesentlicher Mitwirkung des Kulturvereins (Horst Benneckenstein) und des Gemeinderates Arndt Schumann. Aus dem Dunkel der Geschichte konnten ehemals bekannte Persönlichkeiten in die Gegenwart geholt werden, wie der Lehrer und Kantor Johann Michael Agthe, der Klavierbauer Carl Bechstein, die Schriftstellerinnen Frieda und Margarethe von Bülow, der Schriftsteller und Politiker Herman Anders Krüger, die Maler Johannes Meissel und Arthur Rose, der US General und Präsident Eisenhower sowie der Arzt Ferdinand Sauerbruch. Ein ständiger und anregender Partner des Kulturvereins war das Heimatmuseum der Gemeinde unter der Leitung von Hans Dieter Manns, der langjähriger zweiter Vorsitzender war. Mehrere Veranstaltungen fanden jedes Jahr im Heimatmuseum statt, immer mit Themen, die sich auf die regionalen Traditionen bezogen. Dazu gehörten auch die Kontakte zum Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden, das gern besucht wurde. Das betraf ebenso das einmalige Exponat, den ältesten orginalen Bobschlitten Deutschlands, den Fünfsitzer – Lilliendahl – Bob aus Neudietendorf, der als Leihgabe in der Oberhofer Schau stand und sich heute in Ilmenau befindet. Ein unvergeßlicher Höhepunkt in der Vereinsgeschichte war die Teilnahme des Kulturvereins am MDR-Sommernachtsball im August 2012 im Park des Zinzendorfhauses. Dort konnte sich der Verein eine Woche lang in Telefoninterviews vorstellen und einen Preis gewinnen, der zum rauschenden Ballabend übergeben wurde. Nach 15 Jahren Vereinstätigkeit trat der kleine Carl Bechstein in das Leben des Vereins, als Ergebnis der Recherchen, die Horst Benneckenstein dazu angestellt hatte. Im Herbst 2007 kaufte der Verein einen orginalen Bechstein-Flügel, ließ ihn restaurieren und eröffnete die neue Tradition mit dem 1. Bechstein-Konzert. Dazu konnte die bekannte Pianistin Prof. Gunda Köhler-Scharlach gewonnen werden. Es folgten bis zum 2. Advent 2019 vierzig Konzerte mit Musikern und Sängern aus Deutschland und europäischen Ländern, in höchster musikalischer Qualität. Hinzu kamen in den ersten sechs Jahren Schülerkonzerte, die von Schülern der Neudietendorfer Schulen und der Region gestaltet wurden und den Kirchensaal mit Eltern und Großeltern prall füllten. Zweifellos gehören die Adventskonzerte mit der Künstlergruppe um Susanne Rath (Sopran) und Alexandra Ismer (Bechstein-Flügel), aber auch die Frühlingskonzerte mit Eleonore Maguerre (Sopran) und Uwe Stickert (Tenor) sowie die Konzerte mit Gunther Emmerlich (Baß u. Moderation) zu den absoluten Kulturhöhepunkten im letzten Jahrzehnt. Und das kann leider nur eine unvollständige Würdigung sein. Allein die Überalterung unserer Vereinsmitglieder, die im Jahre 1990 etwa Vierzigjährigen sind heute die Mittesiebziger, und das Ausbleiben von interessierten jungen Leuten führte zur bedauerlichen Beendigung des Kulturvereins.
Zum Abschluss kann ich nur die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass sich das Vereinsleben in den ländlichen Regionen mit den jetzigen jungen Generationen langsam erholen wird, wenn man die gute Erfahrung der Gemeinschaft erst einmal gemacht hat. Egal ob im ­Angler-, Feuerwehr-, Karneval-, Kultur- oder Sportverein.

Quelle

Bild von Jörg Mansch
Text von A.D. Schumann

Burgen-Blick

Erschienen in der Ausgabe: 04. Februar 2023