Der Turm der Tiere: Artenschutz in Röhrensee
Serie: Gebäude-Geschichten
Nicht immer sind Gebäude mit interessanten Geschichten riesig und herausragend. Manchmal sind sie klein, unauffällig und stehen im Rande. Man fährt an ihnen vorbei. Obwohl der Artenschutzturm in Röhrensee direkt an der Straße steht, fällt er sicher kaum einem Vorbeifahrenden auf den ersten Blick auf, auf den zweiten auch nicht. Erst beim Halten kann genau festgestellt werden, was es mit diesem ehemaligen Trafohäuschen auf sich hat.
Noch bis zum Ende der 1990er Jahre standen sie in jeder Gemeinde rund um die Drei Gleichen, die Trafohäuschen oder Trafotürme. Sie waren aus den Dorfbildern nicht wegzudenken, drängten sich jedoch niemals in den Vordergrund. So wie in Röhrensee: Unauffällig, fast demütig drückt sich der alte Trafoturm vor das Ortsbild und wird trotz des exponierten Standorts an der Ortsverbindungsstraße von Holzhausen nach Mühlberg kaum wahrgenommen. Dabei handelt es sich hier sogar um ein besonderes Bauwerk aus Backstein mit Verzierungen, laut Inschrifttafel 1925 von der Gemeinde Röhrensee erbaut. Der Spruch auf der Sandsteinplatte „Das Gute bricht sich Bahn“ ist wohl auf die Elektrizität bezogen, steht aber heute auch mitunter in der Werbung eines bekannten Getränkeherstellers im Drei-Gleichen-Land. Der elektrische Strom war auf unseren Dörfern ein Riesenschritt nach vorn.
Durch die Modernisierung der Stromnetze, einhergehend mit der Entwicklung neuer Isolierungen, setzte sich die unterirdische Verlegung der Kabel statt Freileitungen weitgehend durch. Die ach so gewohnten Überlandstrommasten verschwanden aus unseren Fluren. Dadurch entsprachen die vielen Trafohäuschen nicht mehr den Erfordernissen, sie wurden weitgehend durch kleinere Bauten ersetzt, die überhaupt nicht mehr auffallen. Viele der alten, z.T. historischen Turmstationen wurden umgehend abgebrochen, ein Teil technischer Geschichte verschwand aus unseren Dörfern. Das Kulturdenkmal Trafohäuschen steht und stand nicht auf der öffentlichen Agenda. Wo ihm Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist das eher die Ausnahme.
Der ehemalige Trafoturm in Röhrensee wurde nach 2010 von der Kommune übernommen. Genutzt wurde er da schon lange nicht mehr. Die Idee, Fledermäusen und verschiedenen Vogelarten Unterschlüpfe und Rastplätze zu bieten, war attraktiv. Außerdem überzeugte die Architektur des kleinen Gebäudes, die manchem großem Wohnhaus zur Ehre gereichen würde. Die Naturschutzbehörde des Landkreises begrüßte das Vorhaben und sah es als wirkungsvollen Ersatz für die Flächen, die zwischen Holzhausen und Mühlberg versiegelt wurden. Da der Umbau des Trafohäuschens eine Ausgleichsmaßnahme war, kamen sogar Fördermittel der Thüringer Aufbaubank, große Summen kamen aus dem Haushalt der Gemeinde.
Ein anderer Artenschutzturm, ebenfalls aus einem Trafohäuschen entstanden, steht nicht weit von Röhrensee in Haarhausen. Allerdings wurde beim Umbau dessen Fassade verändert. Der Haarhäuser Turm war der erste seiner Art im Ilmkreis und wurde vor dem Röhrenseer Turm fertigstellt. Beide Türme bieten nun Platz für unzählige Tierarten, deren Wohn- und Nistplätze und Tagesverstecke durch Umbauten verloren gehen und gingen. Der Röhrenseer Turm wird, wie der Haarhäuser, gerne angenommen. Es surrt zwar kein Strom mehr, dafür fliegt und flattert es aber heftig. So findet der Besucher des Trafoturmes in Röhrensee neben der 1925 von den Erbauern angebrachten Tafel das Fledermauswappen, das die neue Bedeutung des Baues manifestiert.
Quelle
Foto + Text von Dirk Koch
Burgen-Blick
Erschienen in der Ausgabe: 19. Dezember 2020