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Burgen-Blick - Sage vom zweibeweibten Grafen von Gleichen

Die Gleichensage als lebendiges Denkmal

Viele wichtige Herrscherfamilien unserer Region um die drei Burgen sind längst vergessen. Die mächtigen Grafen von Kevernburg (Käfernburg) und ihren Sitz in unmittelbarer Nähe der Drei Gleichen hinter Arnstadt kennt heute kaum einer mehr, obwohl sie wohl einst eine riesige Bedeutung und Machtfülle besaßen. Nur Fachleute und Interessierte wissen um die Meinharde, die sich zu ihrer Zeit Grafen von Mühlberg nannten und auf der Mühlburg residierten.

Um dieseses Vergessen vorzubeugen, schlug Dr. Edmund Zeyß im Oktober 1931 einen Gedenktag für die Grafen von Gleichen vor. Dr. Zeyß war im damaligen Wachsenburgverein engagiert. Die Museumsräume der Wachsenburg boten ideale Bedingungen für Ausstellungen. Der offizielle Gedenktag für die Gleichengrafen sollte der 15. Januar sein. An diesem Tage im Jahre 1631 starb im Residenzschloss Ehrenstein in Ohrdruf der letzte Graf von Gleichen. Am 15. Januar 2021 jährte sich das Aussterben der berühmten Grafenfamilie also zum 390. Male. Leider ließen die Umstände keine öffentliche Veranstaltung zu den Grafen von Gleichen zu.
Aber die Grafen von Gleichen kennt auch ohne Gedenktag und Veranstaltung jeder. Oder besser gesagt: Den Grafen von Gleichen, ja genau den mit den zwei Frauen. Denn berühmt wurden er und seine Familie nicht etwa durch ihre Bauten, ihren Kriegsruhm, den Reichtum, die Machtfülle oder durch das Hinterlassen von Kunstwerken, sondern eine Legende hielt ihren Namen in Erinnerung. In ganz lebendiger Erinnerung. Wohl jeder kennt die Sage vom zweibeweibten Grafen von Gleichen in irgendeiner Version. Der edle Herr zieht in das Morgenland, lässt daheim seine Frau nebst Kindern zurück und gerät im Krieg in die Gefangenschaft. Aus dieser befreit ihn eine morgenländische Schöne, sie flüchten gemeinsam und auf dem Rückweg gewährt in Rom der Papst selbst dem Grafen von Gleichen die Doppelehe. Daheim angekommen, lebten alle in Friede und Eintracht zusammen.

Die Sage variiert in unzähligen Überlieferungen: Mal heißt der Graf Ernst, dann wieder Ludwig, mal Hans, die Schöne aus dem Morgenland Suleika, Angelika oder Melechsala. Der Krieg ist einmal ein Kreuzzug, es geht ins Heilige Land oder in anderen Versionen nur in den europäischen Teil der Türkei. Jeder kennt und erzählt die Sage ein wenig anders, das gehört dazu und sorgt dafür, das sie und mit ihr die Grafen von Gleichen in aller Munde bleiben. Kulturerbe in lebendigster Form. Über die Gleichensage informiert ausdrücklich das Buch „Liebe zu dritt: Graf Gleichen & Co, Legende Traum und Wirklichkeit“. Es ist bei Drei Gleichen Druck in Neudietendorf erhältlich. Hier ist auch beschrieben, dass die Gleichensage nicht einmalig ist oder an unsere Region mit der Burg Gleichen oder gar an das Grafenhaus gebunden ist. Überall, wo die Grafen einst herrschten, wird sie mit unterschiedlicher Popularität erzählt und verortet. Natürlich in Erfurt, in Ehrenstein bei Stadtilm und im fernen Bad Pyrmont. Weit weniger ist bekannt, dass das Sagenmotiv des Edlen mit zwei Frauen, davon eine fremdländisch, noch an vielen anderen Orten erzählt wird, so z.B. im Odenwald, in Oppurg bei Neustadt an der Orla oder in Aulosen in der Altmark. Gehen Sie doch mit dem Buch auf Entdeckungsreise!

Quelle

Foto + Text von Dirk Koch

Burgen-Blick

Erschienen in der Ausgabe: 27. März 2021