Wohnliche Geschichte
Serie: Gebäude-Geschichten
Das Herrenhaus der Domäne Wechmar bietet „königliche“ Heimat für viele Familien. Die „Domäne“ steht in Wechmar für viele Bewohner als geflügelter Begriff. Gemeint ist damit heute in der Regel das riesige Gebäude im Unterdorf, in welchem sich zahlreiche Wohnungen befinden. Es hat eine bewegte Vergangenheit und ragt als höchster Baukörper der Umgebung heraus. Es stellt also ein ortsbildprägendes Bauwerk dar.
Der Begriff „Domäne“ an sich steht als Bezeichnung für einen Gutshof, der in der Regel dem Landesherrn gehörte. So verhielt es sich mit dem Herrenhaus tatsächlich lange Zeit, die Fürsten von Hohenlohe mussten durch veränderte Herrschaftsverhältnisse am 29. September 1919 ihre Liegenschaften an einheimische Bauern verkaufen, wie im 2001 erschienenen Werk „Im Tal des wilden Wassers-Chronik der Ortschaften Günthersleben und Wechmar“ geschrieben steht. Der Wechmarer Paul Körber kaufte schließlich 1926 die Gebäude der Domäne Wechmar, aus der Wohnung des Domänenpächters wurde ein Mehrfamilienhaus.
Doch die Geschichte des Herrenhauses und des Geländes reicht viel weiter zurück. So weilte am 7. Februar 1086 Kaiser Heinrich IV. zu einem Fürstengericht auf dem Wechmarer Königshof. Damals zogen die deutschen Herrscher durch die Lande, um Macht und Anwesenheit zu repräsentieren, Wechmar war einer ihrer Königshöfe. Er kam nicht allein, die große Gefolgschaft musste beköstigt werden. Um 2000 deuteten Forschungen darauf hin, dass es sich bei diesem Königshof um das Gelände der Domäne handelte, auf der auch die Wasserburg der Herren von Wechmar gestanden haben soll. Es gibt aber auch immer wieder, ebenfalls plausible Stimmen, der Königshof könnte sich an und bei der St.Vitikirche befunden haben. Für beide Feststellungen gibt es schlagkräftige Argumente. Indes viel Diskussionsstoff, aber ob die Frage nach der Lage des Königshofes jemals eindeutig beantwortet werden kann?
Das Herrenhaus der Domäne Wechmar zeigt also, wie lebendig und heiß diskutiert Geschichte sein kann. Ein Botschafter aus fernen Tagen. Baugeschichtlich stellt das Gebäude einen dreistöckigen verputzten Fachwerkbau mit massivem Kellergeschoß auf einem rechteckigen Grundriss dar und soll aus dem 17./18. Jahrhundert stammen. Hochherrschaftlich kommt es auf jeden Fall bis heute daher, dafür sorgte die ehemalige Gemeinde Günthersleben-Wechmar mit ihrem beispielhaftem Bauprojekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Durch Umbau und Modernisierung erstanden im historischen Herrenhaus neun Wohneinheiten. Wer möchte, der kann also heute im Bachstammort Wechmar leben wie einst die Herrschaften und muss dabei auf keinerlei Komfort verzichten. Aber entsprechend begehrt sind die Wohnungen dadurch schon. Die vorhandenen Tragstrukturen blieben erhalten, mit neuen Grundrissen entstanden drei Wohneinheiten in jeder Etage. Ein innenliegendes, eigenständiges, neues Treppenhaus sorgt für deren Erschließung. Es fasziniert als neues und zeitloses Architekturelement. Die Wohnungen in den geschichtsträchtigen Wänden wurden in Form klassischer Zwei- und Dreiraumwohnungen konzipiert. Nachhaltige und ortstypische Materialien fanden Verwendung. Einbauten, Fensterbänke und Bodenbeläge entstanden z.B. aus massiver Lärche. Neugestaltete Historie zum Wohlfühlen.
Das i-Tüpfelchen bei der Neugestaltung des Herrenhauses stellen die Nebengebäude dar. Remise und Pferdestall wurden als Unterstellmöglichkeiten ausgestaltet. Ein wenig erinnert die Domäne Wechmar doch wieder an königliche Zeiten. Nicht nur mit Augenzwinkern und ohne Diskussion!
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Quelle
Text von Dirk Koch,
Foto von Eva Kowalewski, Thüringer Landestrachtenverband
Burgen-Blick
Erschienen in der Ausgabe: 17. Oktober 2020